Ich wache auf. Es ist Sonntag. Sie lächelt mich an. Aber mein erster Gedanke ist: "Ach du scheisse. War das eine Scheisse gestern." Ich habe gefühlt, das die letzten zwei Stunden, in denen wir uns gestritten haben, den ganzen (bis dahin) schönen Tag versaut haben. Das merkt sie irgenwie unbewusst. Diese Frau kann sehen was ich denke. Erstaunlich. Aber nicht vorteilhaft für mich. Ich versuche mich daraus zu stehlen und sage, das ich noch müde bin. Sie beschliesst, dass einer von uns beiden zuerst ins Bad geht. Es passiert irgendwie nichts. Ich habe keine Lust weiter neben ihr zu liegen, weil Sie so erwartungsvoll da liegt. Das ist ja eigentlich schön, ich fühle mich aber irgendwie von ihr bedrängt (obwohl sie mir gar nichts tut). Ich will weg.
Wieso will ich immer weg? Ich gehe nun doch als erster ins Bad, gehe Duschen, lasse mir extra viel Zeit dabei. Gehe wieder ins Schlafzimmer, stehe vorm Schrank und ziehe mich an, dabei stehe ich mit dem Rücken zu ihr und frage, ob Sie nicht auch langsam mal aufstehen möchte.
Ich habe tierischen Kohldampf, aber keine Lust mit ihr zu frühstücken. Paradox. Sonst mach ich das immer gerne. Sie kann kaum antworten, da beschliesse ich, sofort zu essen. Als sie mich gehen sieht, sagt sie trotzig "hab keinen Hunger!".
Ich frühstücke in Ruhe, lasse mir richtig Zeit. Koche mir Kaffee. Sitze auf der Couch und frühstücke (ich sitze ungern alleine am Esstisch). Wie ein Geist geht sie an mir vorbei ins Bad, wäscht sich, putzt sich die Zähne, ich denke Sie steht auf, aber nein, Sie haut wieder ab ins Bett. Und bleibt da. Ich fang an Zeitungen zu lesen (die seit einer Woche unangetastet auf dem Esstisch liegen), frühstücke in aller (nicht Seelen-)Ruhe zuende. Die Situation kotzt mich an. Es schmeckt nichts. Die Brote sind zum kotzen, der Kaffee is noch viel beschissener.
Ich denke, dass ich mal vor die Tür muss, hab' keinen Bock die ganze Zeit rumzuhängen, ist ja schliesslich schönes Wetter. Ich geh hoch, frage Sie provokant, ob sie mitkommen will - sie will nicht.
Welch Wunder. Sie hat es wohl auch noch nicht verdaut, die Scheisse von gestern. Ich denke zum ersten Mal "Sitzt da vielleicht was tiefer zwischen uns, als wir beide glauben?" Die Situation ist mit Worten schlecht zu beschreiben, aber ich glaube wir fühlen beide, was los ist. Ich habe das Gefühl ich muss wieder weg von ihr, weil ich es nicht aushalte bei ihr. Es geht nicht darum das Sie in dem gleichen Raum ist, denn das ist sie ja nicht, sondern allein ihre gedachte Anwesenheit in meiner unmittelbaren Nähe lässt mich unruhig werden. Ich stehe immer noch vor dem Bett in dem Sie liegt (sie glotzt in die Flimmerkiste, reine Ablenkung, Sie relaisiert nicht was da drin los ist - im TV, weil sie mit sich selbst in Gedanken ist.)
Ich habe keine Lust ewig auf eine Entscheidung zu warten und beschliesse
jetzt zu gehen. Jacke an, auf dem Weg zur Tür. Dann der typische Spruch: "Wenn Du jetzt gehtst, dann brauchst Du nicht mehr..." Ja, ja, denke ich, "...wiederkommen" wär's gewesen. Aber in diesem Moment will ich nur noch weg und knall' die Tür hinter mir zu. Ich habe wohl den traurig-ängstlichen Unterton dieses Moments überhört, der mir im Nachhinein klar wurde...
Ich gehe, ungewöhnlich langsam die Strasse entlang. Es ist eisig kalt. Sonst bin ich hier nicht ohne Sie. Selten so gefroren. Nicht, weil ich ohne Sie nichts mache. Sondern weil ich kein Mensch bin, der alleine raus geht, um spatzieren zu gehen. Aber diese Situationen häufen sich. Ich lande irgendwie wieder bei meinen Eltern, will eigentlich einen gescheiten Kaffee trinken, weil zuhause alles zum kotzen geschmeckt hat (obwohl ich sonst guten Kaffee koche). Ich sitze also wieder bei meinen Eltern und die Frau meines Vaters sieht sofort, das was nicht passt. Und stösst mich nur kurz drauf an, ich fang an alles von der Seele zu reden, das ich mich unwohl fühle, nicht mehr weiss, ob ich noch eine Beziehung will, usw. Sowas habe ich noch nie gesagt. Ich habe ja auch niemanden beschimpft oder beleidigt, ich habe nur ganz ehrlich gesagt wie ich über meine Beziehung denke - und bin dabei selbst ein wenig erschrocken.
Zwischenstand: Meine Freundin liegt wahrscheinlich heulend zu hause (nah am Wasser gebaut, ist aber auch nicht schlecht, weil ich das Gegenteil bin und das ist auch nicht richtig) und ich weiss nicht mehr - ja ich weiss eigentlich gar nicht mehr was ich überhaupt will. Ich will sie nur nicht anrufen. Aber Sie ruft mich an. Nicht auf dem Handy - sondern auf dem Haustelefon meiner Eltern. Ich sage ja, die Frau weiss was ich denke.
Ich sollte diesmal Recht behalten.
Sie fragt mich, ob wir uns nicht mal treffen sollten. Auf neutralem Boden. Mit diesem Satz nimmt die ganze Situation auf einmal eine sehr kritische Form an. Wir haben uns schon oft gezofft, sehr oft sogar, aber noch nie hab ich dabei das Gefühl gehabt wie in diesem Moment. Wir verabreden uns für kurze Zeit später. Sie holt mich ab. Im Auto reden wir nur das Nötigste. Auf neutralem Boden angekommen (in einer Eisdiele) kommen wir ins Gespräch.
Es läuft gerade darauf hinaus, das wir darüber nachdenken sollten, wie die gemeinsame Zukunft aussieht. Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten des Gesprächs erinnern... Wir haben über die vergangenen zwei Tage gesprochen, dass diese so schlecht waren und keinen von uns beiden glücklich gemacht haben. Und wir haben festgestellt, das es so auf keinen Fall weitergehen kann. Das haben wir schon öfter mal gehabt, aber noch nicht mit dieser beängstigenden Seriösität. Wir fragen uns gegenseitig, was der Grund sein könnte für diese schlechte "Phase". Sie sagt ich wäre unzufrieden mit meinem Leben und würde das auf ihren Schultern austragen. Wir stellen fest, das ich bei anderen Leuten immer gute Laune habe (was auch tatsächlich so ist) und sobald wir alleine sind, diese gute Laune dahin ist.
Was natürlich auch subjektiv von ihr in Anbetracht der aktuellen Situation übertrieben ist. Ich bin ja nicht nonstop scheisse drauf, aber die letzten zwei Tage kommen dann natürlich wie eine Ewigkeit vor. Also wie gesagt, sobald kein anderer dabei ist, hätte ich schlechte Laune, weil ich mich dann nur auf mein momentan nicht so rosiges Leben konzentrieren würde und dieses an ihr ablasse. Ich sage -und das kommt wie aus der Pistole geschossen, aus dem Bauch heraus, ohne drüber nachzudenken- das es mir solange gut geht, wie sie nicht um mich 'rum ist.
Pause. Das war ein Schlag ins Gesicht. Mir wird durch diese Pause bewusst, dass dies ein Schmerz in Ihr auslöst. Aber das wollte ich doch gar nicht - das meine ich ernst! Ich will doch diese Frau nicht verletzen... Mir wird mehr und mehr klar, dass es aber genau das ist, was ich täglich tue. Aber warum? Ich bin mir auf einmal nicht mehr klar darüber, was ich soll und wie es weitergeht. Ich will auf einmal nach hause, mit ihr zusammen auf der Couch sitzen und wieder alles so wie sonst haben.
Aber dafür ist es jetzt zu spät. Nichts wird mehr sein, wie es einmal war.
Das hört sich jetzt sehr extrem an, aber man kann es nicht treffender formulieren. Man beachte das die Details das ganze Bilden.
Geshockt, verwundert, enttäuscht, verletzt - aber dankbar. Dankbar für die am Anfang der Beziehung versprochene Ehrlichkeit. Dankbar für das Vertrauen, für den Mut, dem anderen die Wahrheit zu sagen. Ich denke das sind die Gefühle, mit denen wir wortlos irgendwann die Eisdiele verlassen. Ich fühle mich wie in Trance, weiss nicht mehr was alles werden soll.
Wir sind zuhause. Sie geht nach vorne und stellt mich vor eine Entscheidung:
- Trennung.
- Änderung.
- Zeit zur Selbstfindung.
Ich habe keine Zeit die Antwort auf Ihre Frage aufzuschieben. Keine Möglichkeit, mich vor den Unnannehmlichkeiten zu drücken.
Stille. Es herrscht eine nervenaufreibende Gesprächspause. Ich will nicht denken. Aber ich muss, wohl oder übel.
Trennung? Nein. Warum nicht? Keine Ahnung. Einfach nein. Ich habe das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben und damit einen weiteren zu begehen.
Änderung? Was soll sich ändern? Wir beratschlagen uns. Ich muss mich in den Griff bekommen, muss meine Phase in den Griff kriegen. Dazu kommen ich aber zu einer anderen Lösung:
Zeit. Offensichtlich bin ich mir ja nicht im klaren darüber, was los ist. Warum ich angeblich diese Phasen habe. Unbestritten, ich habe Sie, das hat sie mir heute klar gemacht. Aber warum? Und genau um dieser Sache auf den Grund zu gehen, entscheide ich mich dafür, Zeit zu benötigen. Kaum ausgesprochen, handeln wir, entschlossen wie selten, ohne uns gegenseitig zu fragen oder Vorwürfe zu machen, dieser erschrenkende Ernst der Sache selbst macht mich nervös. Wir wissen beide, ohne räumliche Trennung kann ich mich nicht finden. Das ist schon vorher klar gewesen. Also räumliche Distanz. Aber wie? Ich dachte Sie könnte bei Ihren Eltern bleiben, kann Sie aber nicht. Ich aber auch nicht bei meinen. Kurzerhand wird gemeinsamer Freund angerufen, der über die Woche seine Wohnung aus beruflichen Gründen nicht belegt, also fahre ich 'hin und bekomme seine Wohnung - Sie war schon da. Er weiss bescheid. Diese ganzen Tipps kommen von Ihm, das mit dem "neutralen Boden" usw. Aber ich bin ihm dankbar dafür. Er muss es wissen: Hat sich selbst erst vor knapp einem halben Jahr von seiner langjährigen Freundin getrennt. Ich habe ihn in dieser Trennungsphase kennengelern, d.h. genau an dem Abend, als sie Schluss gemacht hat.
Während ich das hier schreibe, frage ich mich, ob es Schicksal war?
Gesagt, Getan. Ungeahnt zielstrebig gehe ich nach Hause, packe meine Sachen. Sie kommt nach, will mich hinfahren. Auch dies wird ebenso schnell gemacht. Wir sprechen gar nicht mehr miteinander.
Bevor ich hochgehe, fühle ich mich genötigt, was zu sagen. Was liebes. Sie steht da, Kippe in der Hand, den Tränen nahe. Ich weiss mittlerweile gar nicht mehr was ich sagen soll. Wie ich mich verhalten soll. Ich sage ihr, dass, egal was passiert, sie ein toller Mensch ist und ich die Zeit mit Ihr auf keinen Fall bereue. Und das ist auch mein Ernst. Sie (wie sollte es anders sein) trotzt los, ich wüsste ja jetzt schon, wie es ausgeht, warum lass ich sie zappeln, ich kann doch auch jetzt sofort Schluss machen. Typisch. Trotz halt. Und ich weiss gar nicht mehr wie ich mich verhalten soll. Ich gebe ihr keinen Kuss, um ihr den Abschied (für eine Woche) nicht noch schwerer zu machen, ich streichel Sie nur im Gesicht. Ich weiss nicht ob es die richige Entscheidung war. Ich weiss gar nichts mehr.
Bei meinem Freund angekommen, haue ich mir sofort ein Bier in die Birne. Was ein Scheiss. Könnte eine rauchen, mach ich aber nicht (habe erst im September damit aufgehört). Er weist mich in die Wohnung ein, weil er ja nicht mehr lange da sein wird, (fährt Montag mittags) und ich muss Montag wieder arbeiten.
Seit langer Zeit schlafe ich heute die erste Nacht allein. Ohne Sie. Das fehlt mir. Warum jetzt und über die letzten Tage nicht?